Auf des Wassers Scheide

Ein Bildvortrag zu dem “Wasserbuch”

Am 27. Februar 2024 fand in der Stadtbibliothek Gossau im Kanton St. Gallen ein öffentlich zugänglicher Bildervortrag mit der Fotografin Regina Hügli und dem Wissenschaftsjournalisten Mathias Plüss, den Autor:Innen des “Wasserbuchs”, statt. Die Veranstaltung wurde von den Ostschweizer Blue Communities organisiert: Stadtwerke Gossau, Stadtwerke St. Gallen, OST – Ostschweizer Fachhochschule, Universität St. Gallen, Pädagogische Hochschule St. Gallen und Skat Foundation

Das Wasserbuch befasst sich mit den Themen Überschwemmungen, Dürren und Gletscherschwund und berichtet über die lokalen Geschichten und Erfahrungen, denen die Autor:Innen während einer Expedition in vier europäische Wasserscheidenregionen begegnet sind. Die Expedition, die im Rahmen des Wasser Teilen Projekts stattfand, führte durch Frankreich, die Tschechische Republik, Polen und die Schweiz und ging den folgenden Fragen nach:

  • Wie gehen wir künftig mit Wasser um, damit es für alle reicht?
  • Wie können wir uns vor Überschwemmungen und Dürren schützen?
  • Lässt sich die Gletscherschmelze bremsen?
  • Was können wir vor Ort für unser Wasser tun?

In Gossau nahmen die Autor:Innen das Publikum mit auf eine Reise zu den vier Punkten, an denen die europäischen Wasserscheiden aufeinander treffen (Tripelpunkten): am Pass Lunghin (CH), am Witenwasserenstock (CH), in der französischen Stadt Langres und am Klapperstein im tschechisch-polnischen Grenzgebiet. Mit Bildern und Insidergeschichten über das Wasser und die Menschen an jedem der Orte haben wir uns gemeinsam auf eine virtuelle Reise zu den vier Wasserscheiden begeben. In den folgenden Abschnitten erfahren Sie mehr.

Claudia Martin, Stadträtin und Vorsteherin des Departements Versorgung Sicherheit der Stadt Gossau, eröffnete den Bildvortrag zum Wasserbuch in der Stadtbibliothek Gossau. 

Der Anlass wurde von den Ostschweizer Blue Communities Stadtwerke Gossau, Stadtwerke St. Gallen, OST – Ostschweizer Fachhochschule, Universität St. Gallen, Pädagogische Hochschule St. Gallen und Skat Foundation organisiert.

Unsere gemeinsame Reise zu den vier Tripelpunkten

Was sind eigentlich dreifache Wasserscheiden oder Tripelpunkte? Dies sind Orte, von denen aus Wasser in drei verschiedene Meere fliesst. Sie können sich auf Berggipfeln oder flachen Hügeln befinden, oder einfache Hangveränderungen auf Bergrücken umfassen. Diese Zonen sind nicht nur hydrologisch, sondern stellen auch Treffpunkte verschiedener Kulturen, Sprachen und politischer Einstellungen dar.

Klapperstein

Unser erster Stopp führte uns zum Klapperstein, einem Tripelpunkt in der tschechisch-polnischen Grenzregion. Dieser befindet sich auf der Spitze eines 1’145 m hohen Gipfels, von dem das Wasser in die Nord-, Ost- oder Schwarze See fliessen kann. Der Name “Klapperstein” leitet sich von dem Geräusch ab, das entsteht, wenn der Wind auf die auf dem Gipfel liegenden Steine trifft. Die Autor:Innen gaben uns einen Überblick über die ökologische Lage der örtlichen Wälder und wiesen auf die Herausforderungen durch sauren Regen, Dürren, Stürme und den Borkenkäfer hin. Ausserdem erfuhren wir, wie die Gemeinde eines nördlich des Dreifachpunkts gelegenen Beckens die Umsiedlung von 1’600 Menschen verhinderte, indem sie ein Projekt stoppte, das den Bau von 16 Rückhaltebecken in dem Gebiet vorsah.

Witenwasserenstock

Als Nächstes landeten wir auf dem Witenwasserenstock, an der Grenze der Kantone Uri, Wallis und Tessin in der Schweiz. Diese hochalpine Wasserscheide umfasst die Einzugsgebiete der Flüsse Po, Rhein und Rhone. Die Autor:Innen informierten uns darüber, wie die Gemeinde des Urserentals ihr Wasser durch die über 800 Jahre alte Korporation Ursern verwaltet. Diese erkennt die Ressource als Allgemeingut an und ermöglicht es den Bürger:Innen, sich an den Entscheidungen zu beteiligen. Zudem lernten wir über die negativen Auswirkungen des ausgedehnten Wachstums von Grünerlen auf ungenutzten Weiden und erfuhren, wie Schafe zur Bekämpfung dieses Problems eingesetzt werden können.

Fotografin Regina Hügli zeigt die Tripelpunkte, an denen die Expedition mit dem Wissenschaftsjournalisten Mathias Plüss im Rahmen des ‚Wasser Teilen‘ Projekts vorbeiführte.

Wissenschaftsjournalist Mathias Plüss berichtet über die fortgeschrittenen Schmelzprobleme des Morteratschgletschers.

Pass Lunghin

Der Pass Lunghin im Schweizer Kanton Graubünden war unsere dritte Station. Von dem Tripelpunkt, der 2’644 m über dem Meeresspiegel liegt, fliesst das Wasser in die Adria, das Schwarze Meer und die Nordsee. Die Landschaft in dieser Region hat sich durch die künstliche Begradigung der Flüsse und die Erzeugung von Wasserkraft stark verändert. Wir erhielten Einblicke in ein Projekt, das Dämme verlegte, damit der Fluss seine natürliche Landschaft wiederherstellen konnte. Dies geschah in Kooperation mit Umweltverbänden, Gemeinden und Landwirt:Innen. Des Weiteren wurden uns die fortgeschrittenen Schmelzprobleme des Morteratschgletschers erläutert, sowie die innovativen, wenn auch umstrittenen Lösungsansätze für dieses Problem.

Plateau de Langres

Unsere Reise endete auf dem Plateau de Langres in Frankreich, von wo aus das Wasser in Richtung Mittelmeer, Nordsee und Atlantik fliesst. In dieser dünnbesiedelten, wasserarmen Region spielt die Landwirtschaft eine bedeutende Rolle. Die Autor:Innen berichteten uns von einem 500-Hektar Bauernhof, der nachhaltige Anbaumethoden und eine Diversifizierung der Kulturen einsetzt, um mit den trockenen Bedingungen in der Region umgehen zu können. Wir erhielten ebenfalls Kenntnis von den Skandalen in der Stadt Vittel, wo Nestlé die Rechte zur Grundwasserentnahme für sein Mineralwassergeschäft besitzt. Dies führte zu einem Absinken des Grundwasserspiegels, was die örtliche Bevölkerung dazu veranlasste, für ihre Wasserrechte zu kämpfen.

Die wichtigsten Erkenntnisse

Nach der Präsentation kamen die Autor:Innen und das Publikum in einer Frage- und Diskussionsrunde zusammen. Der gemeinsame Austausch führte zu wichtigen Erkenntnissen:

  • Die Sensibilisierung für Wasserthemen muss gestärkt werden. Wenn sich die Menschen persönlich für ihr Wasser verantwortlich fühlen, entsteht Bewegung. Die Bewusstseinsbildung spielt dabei eine Schlüsselrolle und muss weiter gestärkt werden, damit die Diskussion über Wasserfragen an Wichtigkeit gewinnt.
  • Als Bürger:Innen ist es unsere Pflicht, Massnahmen zu relevanten Wasserfragen zu fordern. Die Menschen müssen eine aktive Rolle bei der Ausgestaltung der Rechte und Pflichten in Bezug auf eine nachhaltige Wassernutzung und -bewirtschaftung übernehmen. Das Schweizer System der direkten Demokratie bietet dafür besondere Instrumente, wie zum Beispiel die Volksinitiative.
  • Die Interessen der verschiedenen Akteur:Innen sind nicht miteinander verbunden. Um dieses Hindernis zu überwinden, ist der Dialog zwischen allen Beteiligten wichtig, ebenso wie eine partizipative Entscheidungsfindung. Die Menschen und Gemeinden sollten auch über ihr Wasser entscheiden können. 
  • Wir müssen die Nutzung und Verteilung unserer Trinkwasserressourcen überdenken. In der Schweiz wird Trinkwasser manchmal für Prozesse verwendet, für die kein so hochwertiges Wasser benötigt wird. Wir müssen den Verbrauch von Trinkwasser optimieren und diesen, wann immer möglich, durch Alternativen ersetzen (z. B. Regenwasser).   
  • Werkzeuge für ein verbessertes Wasserressourcenmanagement sind verfügbar. Wasserfluss-Diagramme können ein hilfreiches Instrument sein, um die verschiedenen Wasserläufe zu veranschaulichen, die vielen von uns unbekannt sind. Der Bedarf an Systemen zur Überwachung des Wasserstresses hat sich ebenfalls als dringend erwiesen, da die Wasserverfügbarkeit in der Schweiz vor allem im Sommer zu einer Herausforderung wird. Zu wissen, wer wann welches Wasser nutzen kann, ist entscheidend.

Offene Diskussionsrunde mit Autor:Innen und Teilnehmer:Innen.

Wissenschaftsjournalist Mathias Plüss und Fotografin Regina Hügli (von links nach rechts) mit den Blue Community Veranstalter:Innen.

Die oben genannte Liste ist bei weitem nicht vollständig. Lasst uns diese Diskussion weiterführen und nicht vergessen, dass wir alle eine Rolle beim bewussten Verbrauch und der verantwortlichen Bewirtschaftung der Wasserressourcen spielen. Wasser ist eine begrenzte Ressource, die gut bewirtschaftet und nachhaltig genutzt werden muss, damit das grundlegende Menschenrecht auf Zugang zu Wasser in den kommenden Jahren erfüllt werden kann, vor allem angesichts der Herausforderungen des Klimawandels.

Wir bedanken uns bei Regina Hügli und Mathias Plüss für die inspirierende Präsentation und dafür, dass sie uns auf eine virtuelle Reise zu den vier Tripelpunkten mitgenommen haben. Ein grosses Dankeschön an die mehr als 50 Teilnehmer:Innen, die sich auf die Präsentation eingelassen und anschliessend zu einer lebhaften Diskussion und Reflexion beigetragen haben. Wir bedanken uns bei unseren Blue Community Partner:Innen, die diese Veranstaltung ermöglicht haben, und bei der Stadtbibliothek Gossau, die den Anlass freundlicherweise ausgerichtet hat.

Autorenschaft

Dieser Artikel wurde von Rena Salzmann verfasst und im Namen der Skat Foundation veröffentlicht. Eine englische Version dieses Artikels ist hier verfügbar.